Ein frühes Trauma – wie es entsteht und was Sie tun können

Das frühe Trauma wurde lange nicht richtig wahrgenommen und seine Folgen sind weitgehend unterschätzt. Die Auswirkungen davon begegnen mir häufig in meiner Arbeit als Trauma Therapeutin und mir ist es daher ein persönliches Herzensanliegen, etwas zur Transparenz und Bewältigung beizutragen. Auch mir war lange gar nicht in vollem Umfang klar, welche Schwere das Thema „eigene Geburt“ in der Biografie eines Menschen haben kann. Durch die Anhäufung ähnlicher Symptome bei ähnlichen Lebensgeschichten, begann ich, mich immer intensiver damit auseinander zu setzen. So entstand dieser Artikel über Entstehung und mögliche Lösungswege für ein frühes Trauma.

Wie es beginnt – in der Schwangerschaft und bei der Geburt.

Es ist inzwischen sehr gut belegt, dass schon das Ungeborene im Mutterleib ein fühlendes und voll wahrnehmendes kleines Wesen ist. Es spürt im engsten Kontakt der überhaupt vorstellbar ist alles mit, was die Mutter erlebt, fühlt und denkt. Angeschlossen an ihre vegetativen Reaktionen merkt das Kind, ob die Mutter sich freut oder aufgeregt ist, ob sie zufrieden oder unglücklich ist. So fühlt es sich wohlig und entspannt, wenn die Mutter selbst gelassen und glücklich ist, es reagiert jedoch ebenso auf ihren beschleunigten Herzschlag, wenn sie starken Stress erlebt.

Natürlich ist ein werdender Organismus in gewissem Maße geschützt und das Kind wird nicht bei jeder aufregenden Situation einen Schaden davontragen. Hier in diesem Beitrag soll die Rede davon sein, wenn die „Aufregung“ der Mutter tatsächlich nachhaltiger und gravierender Natur ist und welche Folgen das auf das Ungeborene haben kann. Gefühle von überwältigt-Sein und Ohnmacht sind es, die grundsätzlich einen Nährboden für Trauma bilden können, wenn keine Verarbeitung erfahren wird. Bleibt die Mutter in einem erlebten Trauma stecken, wird ihre Schwangerschaft durch dieses Gefühl belastet. Bei einem ungeborenen Kind ist Verarbeitung schlecht möglich und so können sich die Folgen manifestieren.

Unsicherheit, (Lebens)Gefahr, große Angst und starke Überflutung mit Stresshormonen verwandeln den vorgeburtlichen Wohnraum des Babys im Bauch der Mutter in ein ungünstiges Klima.

» Frühes Trauma: Der Bauch als ungünstiger „Wohnraum“

Macht eine Frau beispielsweise bei der Zeugung des Kindes oder während der Schwangerschaft eine schwer verletzende Erfahrung, die nachfolgend die Bezeichnung „Trauma“ rechtfertigt, ist zunächst ihre eigene Psyche massiv belastet. Aber nicht nur das! Es folgen auch Veränderungen in ihrem vegetativen Nervensystem, die im weiteren Verlauf dann u.a. zur Fehlsteuerung des (Stress)Hormons Cortisol führen. All das hat natürlich in erster Linie Auswirkungen auf ihren eigenen gesundheitlichen Allgemeinzustand, jedoch auch auf das Kind. Das ungeborene Kind erlebt die maximale Hilflosigkeit seiner Mutter hautnah mit und erfährt dadurch selbst eine Überforderung.

Panik wird aber auch vom Kind selbst erlebt, wenn es stark erschreckende Geräusche und Bedrohung von außen wahrnimmt. Das Kind „lernt“ bereits im Mutterleib, dass es gefährliche Dinge gibt, vor denen es sich nicht schützen kann, es kann ja nicht entkommen. Diese gemachte Erfahrung beeinflusst das Nervensystem und legt eine gefärbte emotionale Bewertung als Grundmuster für künftige Situationen fest. Angst, Unsicherheit, Schreckhaftigkeit und deutliche Stressintoleranz beeinträchtigen seine weitere (Persönlichkeits-) Entwicklung negativ.

Es gibt weitere Gründe für eine Traumatisierung im Mutterleib. So kann beispielsweise u.a. auch der anhaltende Missbrauch von Substanzen (Alkohol oder Drogen) während der Schwangerschaft beim Kind ein Trauma hervorrufen aber auch schädigende Lebensmittel oder starkes Hungern der Mutter. Eine versuchte Abtreibung kann einer Nahtoderfahrung gleichkommen. Eine tiefe mütterliche Abneigung bei einer ungewollten Schwangerschaft wird vom Kind als Ablehnung seiner selbst wahrgenommen. Mütter, die eine Risikoschwangerschaft erleben, leiden verständlicherweise häufig unter Angst- und Verlustgefühlen. Auch diesen Stress erlebt das Ungeborene mit und kann in seinem Leben z.B. zu Angststörungen führen.

» Frühes Trauma: Die Geburt wie eine brutale „Landung“

Der Start ins Leben ist wohl das wichtigste Schlüsselerlebnis für den Menschen. Beginnt es hektisch und gefährlich kann es zum Geburtstrauma führen. Auch das gilt als frühes Trauma und laut des Wörterbuches „Duden“ wird es definiert mit „… durch den Geburtsakt entstandener psychischer oder physischer Schaden bei Mutter oder Kind“. Verschiedene Dinge stören den Geburtsakt für das Kind: u.a. Geburt mit Zange oder Saugglocke, Sauerstoffmangel und das Erleben von maximaler Hilflosigkeit und Todesangst, Kaiserschnitt oder Frühgeburt und die abrupte Trennung von der Mutter durch medizinische Notfallmaßnahmen.

Ihnen kommt dies etwas übertrieben vor? Bitte malen Sie sich kurz aus, Sie würden aus einer angenehmen, warmen Umgebung heraus urplötzlich auf einem fremden Planeten ausgesetzt. Ihre Wahrnehmung wäre schlagartig begrenzt auf Hektik, Panik und strenge Anweisungen, deren Bedeutung Sie nicht verstehen. Die ersten Berührungen wären schmerzhaft und zu allem Übel würden Sie verkabelt mit seltsamen und fremden Geräten. Unbekannte Geräusche und grelles Licht würden Sie plötzlich umgeben und ängstigen. Die beruhigende Geräuschwelt die Sie bisher umhüllte, wäre auf einmal verschwunden und Sie wüssten nicht, was nun geschieht.

Auch diese erlebte Hilflosigkeit, Überwältigung und Überflutung mit Angst- und Stresshormonen ist leider ein idealer Nährboden für ein Trauma.  Das Körpergedächtnis speichert diese Erinnerungen und hat damit Einfluss auf die künftige Verhaltens- und Persönlichkeitsentwicklung des Kindes.

Die ersten Monate – viel „Schreien“ um sich zu entlasten.

Kinder, die am frühen Trauma leiden, machen in den ersten Lebensmonaten häufig ihrer seelischen Not durch anhaltendes Schreien buchstäblich „Luft“. Stresshormone beeinträchtigen das Nervensystem und es ist das natürliche Bestreben eines Menschen, diesen erhöhten Stresspegel zu reduzieren. Ein Erwachsener könnte stundenlang joggen, um sich zu entlasten, dem Säugling bleibt jedoch vorerst nur das Schreien, um Spannung abzubauen.

Der Mechanismus, dass ein traumatisierter Mensch durch auslösende Impulse (Trigger) zu unverständlichem Verhalten gereizt wird, gilt auch für Kinder. Ein auslösender Impuls kann alles sein, was das Kind an seine erlebte Hilflosigkeit und Ohnmacht, Panik und innere Einsamkeit erinnert. Alles denkbar Mögliche kann einen kleinen Menschen daher in helle Aufregung versetzen: Gerüche, Geräusche, Licht, Stimmen, Berührungen, einengende Vorrichtungen (Gurte), gewisse Sinneswahrnehmungen wie Frieren oder Schwitzen, Alleinsein oder laute Menschenansammlungen. Tatsächlich gibt es so viele Trigger wie es unterschiedliche Erlebnisse gibt. Jeder betroffene Mensch hat „sein“ Trauma im Körpergedächtnis hinterlegt und reagiert stets auf seine ganz besondere Weise.

Ein derart „getriggertes“ Kind reagiert prompt mit Stress und gerät in den „roten Bereich“, – einen Ausnahmezustand. Übermäßige Wutausbrüche, Verlust der Selbstkontrolle, lautes Schreien oder heftiges Schlagen können davon ein Ausdruck sein. Andere Kinder dagegen drücken ihren Stress aus durch häufige und anhaltende Selbstversunkenheit, Orientierungslosigkeit, selbst verletzendes Verhalten, teilnahmsloses Schweigen und Unfähigkeit zur Kontaktaufnahme und sozialen Bindungen.

Während all diese Dinge von der Umwelt bemerkt werden können, gibt es  begleitende Symptome, die das Kind wahrscheinlich nicht benennt: überflutende Panikgefühle, Angst, Herzklopfen, Schwitzen oder Übelkeit.

 

Ratlos als Eltern… und was können Sie nun tun ?!

Für Sie als betroffene Eltern kann der erste Schritt in Richtung Verarbeitung darin bestehen, sich genauer zu informieren. Eine gute Aufklärung ist oft der erste wertvolle Baustein zum Auflösen eines scheinbar unlösbaren Dilemmas. Sein Kind zu verstehen, sich zu verstehen und den körperlichen Trauma-Ablauf zu verstehen sind daher wichtige Weichen für eine positive Veränderung. Zu diesem Thema gibt es sehr berührende Bücher, in denen Sie reiche Informationen erhalten. Zudem haben Sie die Möglichkeit, nach einer geeigneten Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe zu suchen. Fragen Sie dazu Ihre Hebamme vor Ort oder suchen Sie im Netz nach guten Möglichkeiten für sich.

Sie wohnen in der Nähe? Natürlich können wir auch gerne ein individuelles und umfassendes Gespräch in meiner Praxis führen, bei dem Sie volle Unterstützung erfahren.

» Starke Hilfe durch sanftes EMDR für den Säugling

Eine weitere gute Nachricht ist: Der menschliche Organismus hat die Tendenz, das Streben und die Fähigkeit zur Heilung!

Mit viel Geduld und den geeigneten Mitteln lassen sich häufig schlechte Erinnerungen wieder mildern und weiterer Schaden erfolgreich abwenden. Gerade sehr kleine Kinder sind noch empfänglich für neue und gute Eindrücke! So wohltuende Erfahrungen wie Geborgenheit, Liebe und Harmonie werden vom Gehirn und Körpergedächtnis schnell integriert und fangen Vieles wieder auf.

Eine wunderbare Möglichkeit, Ihrem Baby oder Kleinkind Hilfe zu spenden, ist die sanfte Behandlung mit EMDR. Als Trauma-orientiertes Verfahren fördert es die Verarbeitung von Erfahrungen durch bilaterale Stimulierung und ist auch für Babys geeignet. Sie als Eltern können dieses zarte Klopfen nach genauen Vorgaben selbst durchführen und Ihr Kind damit in besonderer Weise beruhigen!

Spezielle Elternratgeber vermitteln darüber nähere Informationen. Sollten Sie es lieber persönlich besprechen, berate ich Sie gerne ausführlich in meiner Praxis! Ich beantworte alle Ihre Fragen und zeige Ihnen, wie Sie EMDR anwenden können. Nehmen Sie dazu einfach Kontakt zu mir auf.

 

Sie haben ein frühes Trauma – aber Sie sind schon erwachsen?

Gehören Sie zu den (erwachsenen) Menschen, die u.a. häufig überfordert sind, grundlos erschöpft, hyperaktiviert und übermäßig stressempfindlich, oft ängstlich und hypersensibel und die sich niemals wirklich und „richtig“ zugehörig fühlen? In meiner Praxis habe ich (erwachsene) Menschen behandelt, die mit diesen unklaren Symptomen zu mir kamen. Auf die Frage, ob in ihrem Leben ein traumatisches Ereignis geschehen war, antworteten sie zunächst mit „Nein“. In der Anamnese und den Fragen zur eigenen Geburt zeigten sich dann jedoch dramatische Geschichten, die den betroffenen Personen aber gar nicht als erlittenes Trauma bewusst war.

Falls auch Ihre Zeit rund um die Geburt ein traumatisches Erlebnis gewesen ist, leiden Sie möglicherweise noch unter dessen Spätfolgen. Das ist nicht ungewöhnlich, denn wie schon beschrieben, manifestiert sich ein Trauma im Körpergedächtnis und wirkt dort nach. Die gute Nachricht auch für Sie ist: selbst diese „späten“ Traumafolgen können im Nachhinein durch eine entsprechende Behandlung ausgeleitet werden.

Ich möchte jeden Betroffenen dazu ermutigen, sich diese Behandlung zu erlauben und damit ein neues Angebundensein ans Leben zu erfahren.

Herzlichst,

Regina Herzog-Visscher

 

p.s.: Im Laufe meiner Praxistätigkeit habe ich bereits sehr viele Menschen auf genau diesem Weg begleiten dürfen. Ich freue mich deshalb, wenn Sie sich von meinem Profil angesprochen fühlen und sich eine Behandlung bei mir vorstellen können. Wenn Sie ein gutes Gefühl haben und mehr erfahren möchten, nehmen sie gerne Kontakt zu mir auf.
p.p.s.: Mein Lieblingsbuch zum Thema ist „Emotionale Narben aus Schwangerschaft und Geburt auflösen“ von Brigitte Renate Meissner.

8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Wow, das ist ein richtig wertvoller Artikel. Vielen Dank dafür und auch für die Aufklärungsarbeit, die damit einhergeht!

    Antworten
  • Regina Visscher
    Oktober 12, 2018 7:03 pm

    Liebe Manuela, ich freue mich, dass ich dich mit einem Herzensthema von mir erreichen konnte. DANKE und herzliche Grüße, Regina

    Antworten
  • Hallo Regina. Dein Artikel regte mich wirklich zum Nachdenken und Revuepassieren an. Vielen Dank für deine ausführliche Er- und Aufklärung.

    Antworten
    • Regina Visscher
      Oktober 14, 2018 5:02 pm

      Liebe Alexandra, vielen Dank für deinen Besuch hier und ich freue mich, wenn es etwas wohl getan hat, darüber zu lesen. Revuepassieren kann auch Umwandlung erzeugen. Alles Gute!

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  • Können Sie auch Frauen helfen, ein Trauma aufzulösen, während sie schwanger sind? Ich leide in der Schwangerschaft an Panikattacken

    Antworten
    • Regina Visscher
      Januar 16, 2024 11:29 am

      Liebe Sandra, das ist eine sehr wichtige Frage! Traumaarbeit in der Schwangerschaft sollte meiner Meinung nach nur sehr vorsichtig und noch achtsamer als sonst erfolgen. Es hängt auch maßgeblich davon ab, um welche Art Trauma es sich handelt. Es muss wirklich abgewogen werden, ob der Nutzen es rechtfertigt, eine starke Emotion zu aktivieren, die für das Baby ja auch spürbar sein wird. Am besten, Sie klären das ganz persönlich mit einer Therapeutin ab und schauen dann mit ihr gemeinsam, was sinnvoll ist. Ich habe schon mit werdenden Müttern gearbeitet, weiß also, dass es grundsätzlich möglich ist. Beste Grüße und alles Gute für Sie und Ihr Baby. Regina Herzog-Visscher

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  • Liebe Frau Herzog-Visscher,
    die Geburt unseres nun 12 jährigen Sohnes war ein Trauma. Er hat bis vor 1 Jahr kompensieren können, dann ging nichts mehr wie zuvor. Nun bin ich auf der Suche nach jemandem, der wie Sie das Thema anschaut und mit uns behandelt. Wir wohnen in Celle/ Niedersachsen. Ich wäre sehr dankbar, sollten Sie auch in unserer Nähe jemanden wissen, der uns begleitet.
    Danke vorab!

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    • Regina Visscher
      Januar 16, 2024 11:35 am

      Liebe Frau N, ich kann Ihre große Sorge um Ihren Sohn nachfühlen. Es ist auch sehr beachtlich, dass er bis zu seinem 12. Lebensjahr so gut kompensieren konnte! Leider kenne ich keinen Kollegen/Kollegin in Celle, aber ich werde mein Netzwerk anschreiben. Vielleicht versuchen Sie es auch erst einmal mit einer guten Osteopathie Therapeutin, die auch spezialisiert ist, Trauma aufzulösen. Ebenso wirksam kann eine Craniosacral-Behandlung sein, ich habe da schon sehr gute Erfahrungen gemacht (separat hierzu sende ich Ihnen eine Email, bitte sehen Sie auch im Spam Ordner nach). Das Trauma hat sich ja im Körper manifestiert und kann daher auch über entsprechende Körperarbeit aufgelöst werden. Ich wünsche Ihnen alles Gute für sich und Ihren Sohn. Herzliche Grüße, Regina Herzog-Visschder

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