Fragen und Antworten rund um die Traumatherapie!
Es ist nicht einfach, eine Therapie zu beginnen, in der ein schlimmes Ereignis behandelt werden soll. Ich weiß, dass man sich viele Fragen stellt, bevor man sich dazu entschließt. Hier gehe ich auf einige der häufigsten Fragen ein und hoffe, dass „Ihre“ dabei ist. Falls Sie noch andere Fragen oder Antworten zur Traumatherapie haben, schreiben Sie mir diese per Email oder hier als Kommentar. Ich nehme sie dann gerne als Grundstock und erweitere den Artikel damit.
WER… WIE… WAS…? WIESO… WESHALB… WARUM…?
Wer fragt, erhält Antworten! Und Antworten geben Sicherheit. Bitte zögern Sie deshalb niemals, alle Fragen zu stellen, die Sie auf dem Herzen haben. Ich habe bemerkt, dass die Menschen ihre Fragen vergessen, wenn sie in die Behandlung kommen. Dann gebe ich gerne den Tipp, sie im Alltag aufzuschreiben. Je mehr Sie fragen, desto gezielter verläuft Ihre anschließende Sitzung.
„Wer braucht eine Traumatherapie?“
- Menschen, die an einer bereits diagnostizierten Posttraumatischen Belastungsstörung leiden.
- Personen, die im täglichen Ablauf deutlich beeinträchtigt und überfordert sind nachdem sie ein außergewöhnlich belastendes Ereignis (oder Ereignisse) selbst erlebt haben und das sie alleine nicht vergessen oder verarbeiten können. Sie weisen dabei u.a. folgende, typische Symptome auf:
› Flashbacks (einschießende Nachhall-Erinnerungen und Bilder des Geschehens),
› Albträume, Schlaflosigkeit, Überwachheit,
› ein anhaltendes Gefühl von Betäubt-Sein und emotionale Stumpfheit,
› erhöhte Vigilanz (Reaktionsbereitschaft) und chronische vegetative Übererregtheit,
› Schreckhaftigkeit, Angst, Suizidalität,
› sozialer Rückzug, Vermeidung von Situationen, die an das Erlebte erinnern,
› Veränderte Fähigkeit zur Impulskontrolle und -Steuerung.
- Personen, die in der Kindheit mehrfachen traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt waren, z.B. Vernachlässigung und / oder Gewalt, sexualisierte Gewalt und die somit an einem Mehrfach-oder Komplextrauma leiden. Die Symptome sind zusätzlich zu den klassischen (s.o.):
› veränderte Fähigkeit, Affekte zu regulieren, Emotionen zu empfinden und zu steuern
› Probleme in der Fähigkeit, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten
› eine veränderte Selbstwahrnehmung, Selbstbild, Selbstkonzept
› Persönlichkeitsveränderung
- Personen, die Zeuge eines schlimmen und stark nachwirkenden Erlebnisses waren. Das kann im Rahmen des eigenen Berufes sein (Bsp. Feuerwehrmänner, Unfallhelfer, Ärzte und zugehörendes Personal, Therapeuten, etc.)
„Wer darf eine Traumatherapie durchführen?“
Folgende Personenkreise können eine Traumatherapie durchführen. Die Heilbehandlung ist dabei abhängig von der Zielsetzung des Arztes/Therapeuten, wenn es z.B. darum geht, begleitend Medikamente einzusetzen.
- Psychiater und Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Neuropsychologen
- spezielle Kliniken, die sich auf diese Behandlung spezialisiert haben und diese ambulant (Tagesklinik) oder stationär durchführen
- Wer in Deutschland außer diesen eine psychotherapeutische Leistung anbieten will, braucht dafür eine Zulassung. Diese sind im Psychotherapeutengesetz und dem Heilpraktikergesetz verankert. Zusätzlich zu den jeweiligen Grundvoraussetzungen muss der betreffende Therapeut eine Ausbildung durchlaufen, die ihn dazu befähigt, gezielt die Folgen von Trauma zu behandeln. Folgende Personen sind dann berechtigt, Traumatherapien anzubieten: Psychotherapeuten (z.B. Psychoanalytiker, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapeuten, Verhaltenstherapeuten) Heilpraktiker, Heilpraktiker für Psychotherapie.
„Wer bezahlt die Traumatherapie?“
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die gesetzliche Krankenkasse bezahlt nach geregelten Richtlinien. Die private Versicherung oder die private Zusatzversicherung bezahlt gemäß der abgeschlossenen Police. Ganz oder teilweise übernimmt eventuell auch die Unfallkasse oder die Berufsgenossenschaft die Kosten.
» Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt die Behandlung bei:
- Einem der o.g. Ärzte oder in einer Klinik, es werden die anerkannten Richtlinienverfahren angewendet innerhalb des jeweils vorgesehenen Zeitkontingentes.
- Psychotherapeuten mit Kassenzulassung nach gegebener Voraussetzung (er wendet die Richtlinienverfahren an) innerhalb des jeweils vorgesehenen Stundenkontingentes.
- Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung im Rahmen der Sonderregelung „Kostenerstattungsverfahren„, wenn sich kein Psychotherapeut mit Kassenzulassung finden lässt.
» Sie können die Behandlung als Selbstzahler finanzieren bei:
- Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung, freie Verfahrenswahl
- Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie, freie Verfahrenswahl
- Privatkliniken
„Was kostet eine Traumatherapie?“
Natürlich hängt das davon ab, zu welcher Form der Behandlung Sie sich entscheiden. Oben im Punkt „wer bezahlt die Traumatherapie“ habe ich erwähnt, welche Möglichkeiten es gibt. Wird die Therapie von der Krankenkasse übernommen fallen in der Regel für Sie keine Kosten an. Wenn Sie eine private Lösung wählen, hängt es vom Behandlungssatz des Therapeuten ab.
- Bei einem Psychotherapeuten richtet sich die Gebühr nach der aktuellen Gebührenordnung für Psychotherapeuten. Eine Sitzung von 50 Minuten kostet derzeit (gemäß GOP) 100,55 Euro. Das kann je nach dem Zeitpunkt der erbrachten Leistung auch mal variieren (nach 20:00 h oder am Wochenende) und zusätzliche Kosten können anfallen (Anamnese, Diagnostik).
- Bei einem Heilpraktiker oder Heilpraktiker für Psychotherapie gelten die von ihm jeweils festgelegten Stundensätze. In der Regel finden Sie diese auf den Webseiten des betreffenden Behandlers und sie bewegen sich innerhalb des Heilpraktikergebührenverzeichnisses.
„Wie beginne ich eine Traumatherapie?“
» Die erste Anlaufstelle ist Ihr Hausarzt!
- Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie mit einem überwältigenden Erlebnis nicht alleine fertig werden und sich Symptome wie oben beschrieben einstellen, suchen Sie bitte Ihren Hausarzt auf. Er kennt Sie gut und Sie haben Vertrauen zu ihm. Gemeinsam können Sie die Möglichkeiten erörtern und Wege finden.
- Je nach Schweregrad und Art des erlittenen Traumas ist eventuell eine stationäre Behandlung zu Anfang nötig, die dann später ambulant fortgeführt werden kann. Auch die ambulante Behandlung in einer Tagesklinik können Sie in Betracht ziehen, Adressen und Angebote in Ihrer Nähe finden Sie im Internet.
- Wenn Sie stabil genug sind für eine „normale“ ambulante Psychotherapie, wird er Ihnen eine entsprechende Überweisung ausstellen und Sie können sich auf die Suche nach einem geeigneten (Trauma) Therapeuten machen. Das ist zur Zeit allerdings nicht so einfach, denn die Wartezeiten sind zum Teil recht lang. Viele Krankenkassen versenden jedoch auf Anfrage Listen mit Namen geeigneter zugelassener Therapeuten.
- Findet sich in einem annehmbaren Zeitraum kein geeigneter Therapeut, haben Sie jederzeit die direkte Möglichkeit eine private und oft schnellere Lösung anzustreben.
„Wie läuft eine Traumatherapie ab?“
Eine spezielle Traumatherapie folgt im Idealfall einem Stufen-Plan, der sich sehr bewährt hat und der unbedingt auch die vegetativen Komponenten (Körpergedächtnis) mit berücksichtigt. Scheuen Sie sich nicht, Ihren Therapeuten danach zu fragen! Es ist ein notwendiger Baustein in dieser Therapie. Der Therapeut kann innerhalb dieses Planes variieren und deshalb verwischen die Grenzen ein wenig. Dennoch gibt es eine klare Struktur:
» 1. Die Stabilisierungsphase
Es ist eine Vorbereitungsphase, in der man dem Patienten hilfreiche Mittel und Wege zur Verfügung stellt, um den Alltag besser zu bewältigen. Ziele u.a. sind:
› Stress-Reduzierung durch gezielte Übungen
› Verankerung in der Gegenwart durch Achtsamkeitsübungen und spezielle Skills
› Stabilisierung und bessere Impuls- und Affektkontrolle.
› Herunterkühlen der (chronischen) Übererregung
› Verbesserte Alltagsbewältigung.
» 2. Die Verarbeitungsphase
Das ist die eigentliche Konfrontationsphase, in der auf das Erlebnis (oder einige wichtige Erlebnisse) eingegangen wird, um eine Verarbeitung des Geschehens zu fördern. Hier sollte ein geeignetes Verfahren eingesetzt werden können, das eine mögliche Retraumatisierung verhindern kann. Wichtiger Hinweis: Die Verarbeitungsphase kann auch entfallen, wenn der Betroffene das nicht wünscht und es ihm primär um die Verbesserung der Symptomatik geht. Es ist nicht zwingend notwendig, die Verarbeitung im Sinne von Konfrontation komplett durchzuführen.
» 3. Die Integrationsphase
Das Erlebnis wird im Rahmen der persönlichen Lebensgeschichte betrachtet. Der Betroffene klärt dabei u.a. folgende Dinge:
› seine jetzige Lebenssituation, eventuell ergeben sich Änderungen von ganz alleine
› Berufswechsel, Standortwechsel? Das veränderte Selbstbild eröffnet oft neue Welten
› trainieren von neuen Mechanismen und Verhaltensweisen
› Stärken und besondere Fähigkeiten, gewonnen in der Zeit des Traumas zeigen sich
› Neuorientierung: Lebensperspektive, Zukunft, was soll werden, was darf nun sein?
„Wie lange dauert eine Traumatherapie?“
Ehrliche Antwort: das hängt davon ab!
Ich kann hier keine pauschale Antwort geben. Es richtet sich nach der Art des gewählten Therapieverfahrens, nach der Arbeitsweise des Therapeuten und vor allem: nach der Art des Traumas. Ein einzelnes Schocktrauma ist schneller und besser aufzulösen als ein komplexes Mehrfachtrauma. Ich kann nur aus meiner Praxis berichten und damit ungefähre Werte liefern. Bei einem einzelnen Schocktrauma können 7 bis 10 Therapiesitzungen mit der geeigneten und richtig gewählten Therapie deutliche Symptomreduzierung herbeiführen. Komplextraumatisierung braucht entsprechend einige Sitzungen mehr, allerdings ist auch das wieder abhängig davon, ob bereits eine Psychotherapie im Vorfeld stattgefunden hat. Dann kann auch hier in weniger Zeit bereits viel erreicht werden.
» ganz grob gilt:
- wer behandelt? (mit oder ohne Kassenzulassung = mit oder ohne Stundenregelung)
- welches Therapieverfahren wird gewählt?
Eine Psychoanalyse z.B. dauert naturgemäß sehr viel länger als eine Verhaltenstherapie oder
eine gezielte Traumatherapie mit EMDR. - welcher Art ist das zu verarbeitende Trauma?
Single/Schock (=Typ -I- Trauma) oder Komplex/Mehrfachtrauma (=Typ -II-Trauma) - wie stabil ist die betroffene Person?
z.B. Gibt es Vorbehandlungen? Wie stabil ist die Familiensituation und das soziale Umfeld, etc. - wie gut kann der Betroffene selbst mitarbeiten und die Stabilisierungsübungen nutzen?
Bitte informieren Sie sich zu genauen Angaben bei dem Therapeuten, den Sie sich aussuchen. All diese Dinge können in einem Erstgespräch erörtert werden, zögern Sie nicht, das alles genau zu erfragen.
„Was ist bei einer Traumatherapie anders als bei einer „normalen“ Psychotherapie?“
Eine Traumatherapie ist ganz speziell darauf ausgelegt, die Folgen eines katastrophalen Ereignisses zu mildern, das ein betroffener Mensch nicht alleine verarbeiten kann und das zu Störungen seiner Alltagsbewältigung führt (siehe auch Punkt „Wer braucht eine Traumatherapie).
Ein erlebtes Trauma hinterlässt nicht nur Spuren im Denken und Erinnern eines Menschen, sondern manifestiert sich auch auf der körperlichen Ebene im Nervensystem!
Eine ideale Traumatherapie sollte daher über das reine Gespräch hinausgehen und es dem Betroffenen zusätzlich ermöglichen, die körperlichen Folgen eines Traumas auszugleichen. „Nur Sprechen“ könnte möglicherweise zu einer Retraumatisierung führen, wenn eine gleichzeitige und geeignete Stressminderung bei der Schilderung des Geschehens unterbleibt. Ein Beispiel seien die alten Kriegsveteranen. Vielleicht haben Sie selbst auch schon erlebt, dass ältere Personen Episoden aus dem Krieg erzählten und jedes Mal wieder neu anfingen zu weinen. Gleichgültig, wie oft sie es erzählen, die Erinnerung scheint so frisch wie am ersten Tag und die verbundenen Gefühle können sich daher immer wieder aktivieren.
Ein wirklich verarbeitetes Trauma löst keine heftigen Emotionen mehr aus und die zugehörigen Bilder verblassen auf natürlichem Weg.
» Die moderne Traumatherapie berücksichtigt also im Idealfall:
- der Hauptfokus liegt primär in einer Verbesserung der Alltagsbewältigung durch geeignete Tipps und Skills
- eine ganz gezielte Psychoedukation (Aufklärung) über die seelischen und körperlichen Zusammenhänge der Traumafolge ist zwingend – wenn nötig auch mehrfach, wenn der aufgeregte betroffene Mensch am Anfang nicht alles mitbekommt. Das nötige Verständnis über die Zusammenhänge kann bereits einen Riesenschritt in Richtung Heilung bringen, bevor noch andere Maßnahmen eingesetzt werden
- das gestresste Nervensystem muss mit geeigneten Mitteln beruhigt werden
- wenn mit dem Erlebnis konfrontiert wird, dann sollte das unter gleichzeitiger Entspannung geschehen
- Atemübungen, Imaginationstechniken, heilsame Bilder und Aktionen sind Bestandteil der Stabilisierungsarbeit und auch der Konfrontationsarbeit
- eine bedingungslose Parteilichkeit des Therapeuten hilft dem Betroffenen sich geschützt und unterstützt zu fühlen. Er signalisiert, vollkommen auf der Seite des Opfers zu stehen und wird von sich aus nicht mit Forderungen/Vorschlägen von „Vergeben“ oder „Verstehen des Täters“ an den Betroffenen herantreten.
„Was kann passieren bei einer Traumatherapie, welches Risiko gibt es?“
» 1. Das Risiko der Retraumatisierung
Oben erwähnte ich das Risiko einer Retraumatisierung in einer (reinen) Gesprächssituation. Dieses Risiko ist im Prinzip bei jeder Form der Traumatherapie gegeben. Gemeint ist damit, dass durch die Konfrontation mit dem Erlebnis dieselben Gefühle hervorgerufen werden können, wie sie auch im Moment des Geschehens erlebt wurden und sie somit verstärken.
Warum kann das passieren? Ein traumatisierendes Ereignis ist im Körpergedächtnis verankert und kann „getriggert“ und damit aktiviert werden. Kleinste Erinnerungssplitter können bewirken, dass das Trauma in Form von „Flashbacks“ oder überwältigenden Gefühlen und maximaler Hilflosigkeit sich wieder in Erinnerung bringt. Hat ein Mensch beispielweise einen Überfall erlebt, der während starken Regens stattfand, kann künftig Regenwetter an sich schon ein Trigger sein und das Nervensystem maximal aktivieren. Auch das Geräusch von fahrenden Autos auf nasser Fahrbahn kann eine Flut an Erinnerungen auslösen oder vielleicht eine wahrgenommene Farbe im Zeitraum des Geschehens.
Allerdings geschieht das auch außerhalb einer Therapie und in der Regel ist es genau das, was die meisten Menschen in eine Therapie führt! So gesehen ist die Gefahr latent an sich ständig präsent. Der Unterschied besteht darin, dass in der Traumatherapie die Reizentwicklung unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt wird. Die Kombination aus Stabilisierung und Konfrontation sollte sicher und sorgfältig angewendet werden können und der Betroffene erlebt dabei, dass ER SELBST es schafft, durch geeignete Tools, die Kontrolle wieder zu gewinnen. Das kann meistens zu deutlichen Verbesserungen führen.
» 2. Das Risiko der Symptomverschlechterung
Zu Beginn der Behandlung kann es zur vorübergehenden Verschlechterung der bereits bestehenden Symptome kommen, weil man sich mit dem Geschehen wieder beschäftigt. Im Alltag wird vieles unterdrückt und verdrängt, was nun in der Therapie angesprochen wird. Der Betroffene sowie der Therapeut sollten somit auch immer im Auge behalten, ob eine Überforderung eintritt und dann wieder rein stabilisierend arbeiten. Erfreulicherweise verläuft es in der Regel in guter Zusammenarbeit.
» 3. Das Risiko bei Medikamenteneinnahme
Manchmal werden Medikamente zu Beginn einer Traumatherapie eingesetzt oder waren bereits vorher Bestandteil einer Behandlung wegen depressiver Symptome. Die üblichen Risiken und Nebenwirkungen eines Medikamentes können dann auch hier auftreten. Der psychotherapeutische Behandler sollte über begleitende Medikamente informiert werden.
„Warum geht ein Trauma nicht von alleine weg?“
Ein Trauma setzt sich nicht nur in der Psyche fest, sondern wird auch im Körpergedächtnis mit abgespeichert. Daher kann das Nervensystem Ihnen zu gewissen Gelegenheiten immer wieder einen Streich spielen indem es auf gewisse Außenreize reagiert und die gespeicherten Emotionen wie am ersten Tag reaktiviert. Ihr emotionales Alarmsystem (die Amygdala als Teil des limbischen Systems) ist quasi auf Daueralarm geschaltet, wenn es um Eindrücke geht, die im Alltag auf Sie einströmen.
Ich erwähne hierfür noch einmal das oben genannte Beispiel mit dem Überfall bei Regenwetter.
Auch wenn Ihr Kopf, Ihr wissender Verstand genau „weiß“, dass es heute und jetzt keinen Überfall gibt, nur weil es regnet, reagiert Ihr emotionales Alarmsystem unmittelbar und ganz unbeeindruckt von ihrem kognitiven Wissen. Stimuliert durch den Außenreiz „Regen“, meldet es GEFAHR, schlägt somit unverzüglich ALARM und fährt in Sekundenbruchteilen Ihr Stress-System in die Höhe. Sie empfinden Angst, Hilflosigkeit und alle anderen Gefühle, die Sie zum Zeitpunkt des Geschehens hatten. Obwohl kein Angreifer weit und breit in Sicht ist, reagiert Ihr Körper auf eine Gefahr, die er abgespeichert hat.
Ihre Amygdala befindet sich also auch nach langer Zeit noch mitten im Film und transportiert das nach außen. Mit reiner Vernunft kann man dem nicht beikommen. Eine Traumatherapie jedoch kann genau das mit Hilfe der bestimmten Verfahren schaffen. Ziel ist es, der Amygdala fühlbar und begreifbar zu machen, dass „es“ vorbei ist und dass die Alarmbereitschaft nun angemessen heruntergefahren werden kann. Das individuell gefärbte emotionale Bewertungssystem soll und kann sich dadurch der heutigen Realität anpassen können.
„Welches ist die richtige Methode für mich?“
Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Traumatherapie. Welche davon die richtige für Sie sein kann, ist pauschal schwer zu beantworten. Ich habe festgestellt, dass die Methode sogar oft erst an zweiter Stelle steht. Wichtiger und entscheidend ist vor allem, ob Ihnen der Therapeut gefällt. Wenn Sie sich vorstellen können, mit ihm/ihr offen und frei reden zu können und sich auch in den Räumlichkeiten gut fühlen, ist das schon mal ein guter und gesunder Grundstein.
» Es kann zusätzlich hilfreich sein, sich im Vorfeld folgende Fragen zu stellen:
- bin ich ein Typ, der sich am besten durch Sprechen Erleichterung verschaffen kann?
- möchte ich am liebsten gar nichts zum Erlebnis sagen, es so knapp wie möglich formulieren und es möglichst ohne viel Reden verarbeiten?
- bin ich ein sehr verkopfter Mensch und kann wenig damit anfangen, wenn ich Gefühle in meinem Körper „orten“ soll?
- kann ich gut Dinge imaginieren, also mir bildlich vorstellen oder würde mich das total überfordern, langweilen oder ärgern? Das ist zum Beispiel wichtig, wenn es darum geht, mit Anleitung einen „sicheren Ort“ zu erstellen oder sich auf einer Phantasiereise an schöne Orte zu begeben.
- bin ich eher der praktische Typ und mache lieber „handfeste“ Hausaufgaben wie Atemübungen und andere Übungen zur Stressreduktion?
- wie diszipliniert kann und möchte ich überhaupt sein, wenn es darum geht, aktiv zuhause mitzuarbeiten? Das kann wichtig sein, wenn Sie darum gebeten werden, Symptomtagebuch oder ähnliches zu führen.
Wenn Sie die Antworten auf diese Fragen haben, dann können Sie eher einschätzen, in welche Richtung es gehen soll. Ob Sie lieber in eine gesprächsorientierte Therapie möchten oder die „stilleren“ Möglichkeiten wie z.B. EMDR oder Hypnose nutzen wollen. Je besser Sie sich selbst einschätzen, desto sicherer können Sie auch das passende Verfahren anpeilen und in Folge den Radius der Therapeuten abstecken, mit denen Sie arbeiten möchten.
Die neuesten Leserfragen beantworte ich hier:
Ich freue mich sehr über all die Zuschriften zu diesem Artikel. Manche Leser*innen stellen gezielte Fragen und ich erweitere diesen Artikel hier gerne mit den passenden Antworten – sofern die Fragen nicht zu spezifisch und zu persönlich sind.
„Warum sollte ich keinen Täterkontakt haben während der Therapie?“
Eine Leserin berichtet davon, dass ihre Trauma-Therapeutin ihr geraten habe, den „Täterkontakt“ vollständig zu unterbinden während der Zeit, in der sie in Therapie sei. Ihre Frage war, ob ich das auch so beurteilen würde und ob dieses Ansinnen üblich sei.
Die Antwort ist: JA!
Es ist absolut ratsam, den Kontakt zum „Täter“ komplett einzustellen – selbst wenn es die eigene Familie betrifft. Die Gründe hierfür sind vielfältig und sie sind immer im gesamten Kontext zu sehen. Wenn der Trauma-verursachende Täter täglich Einfluss auf sein Opfer nehmen kann, ist eine Gesundung und eine Reduzierung der Trigger (= Stress-auslösende Reize) gänzlich unmöglich. Wenn beispielsweise ein gewalttätiger Partner oder Elternteil immer wieder die Gelegenheit bekommt, durch körperliche oder psychische Angriffe Angst und Terror zu verbreiten, kann das Trauma nicht verarbeitet werden. Es wird sozusagen täglich aufgefrischt und das angespannte Nervensystem kann nicht zur Ruhe kommen.
So ist beispielsweise das Verfahren EMDR nicht in der Lage, AKUTE und REALE Gefühle der Gefahr aufzulösen. Und das ist sehr gut so!
» Angst vor echter Gefahr kann nicht „wegtherapiert“ werden.
Es wäre grob fahrlässig, eine zu Recht bestehende Angst vor einem aggressiven Täter unangemessen zu minimieren. Schließlich kann sie dabei helfen, im Gefahrenmoment zu fliehen oder sich zu schützen oder sogar den Partner letztlich doch zu verlassen. Eine präsente Wachsamkeit und Furcht dient also in diesem Fall als sinnvoller Schutzfaktor, der zu einer rettenden Aktion veranlassen kann.
Was dagegen behandelt werden sollte, ist die Angst davor, den Täter zu verlassen und auf sich gestellt zu sein. Zukunftsängste könnten eine hemmende Schwelle verursachen. Hier wirkt man stützend und fördernd und zeigt Alternativen und hilfreiche Anlaufstellen im Außen, vor allem bei akuter Gefahr.
Solange Täterkontakt besteht, behandelt man in der Therapie also erst einmal begleitend und dient als stärkende Ressource. Ganz wichtig ist es dabei, als klares Ziel zu vereinbaren, dass der Ausstieg aus dem Täterumfeld angestrebt wird. Der Therapeut und der Klient besprechen die Möglichkeiten, um die verletzende Umgebung zu verlassen, sei es die Partnerschaft, die Herkunftsfamilie oder andere Systeme, in denen sich die Gewalt zeigt. In der Behandlung deckt man auch die vom Täter abhängigen Anteile auf, die sich davor fürchten, das schädigende System zu verlassen.
Das ist natürlich für den Betroffenen nicht einfach und unter Umständen erfordert es viel Zeit und Geduld.
„Warum fällt es mir so schwer, Augenkontakt zu meiner Therapeutin auszuhalten?“
Eine Leserin berichtet in einer Email, dass sie seit kurzem bei einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin in Behandlung ist und dass sie mit ihr eine Traumatherapie durchführen wird. Sie beschreibt das Verhältnis zur Therapeutin als gut und sagt auch, dass sie sich bei ihr sehr wohl fühlt.
Sie kann sich deshalb nicht erklären, warum sie den Blickkontakt nicht aushalten kann und sich unsicher fühlt, wenn sie von der Therapeutin länger angesehen wird. Auch fällt es ihr schwer, die Augen während der Behandlung zu schließen (Vielleicht ist dies während einer Phantasiereise einmal angedacht worden). Sie fragt sich nun, warum das so ist und wie lange es dauert, bis es weggeht.
Ich kann dieser Leserin versichern, dass das geschilderte Verhalten gerade zu Anfang völlig normal ist und kein Anzeichen für eine schlechte therapeutische Beziehung. Die Gründe, warum es Menschen grundsätzlich schwerfällt, Blickkontakt herzustellen und vor allem aufrecht zu erhalten, sind unterschiedlich. Hier im Artikel gehe ich nur auf mögliche Ursachen bei traumatisierten Menschen ein.
Bei Personen mit komplexen Traumahintergrund (Komplextrauma, Typ -II-Trauma) nach zum Beispiel wiederholten Misshandlungen in der Kindheit, findet man die folgenden möglichen Gründe:
» Unsicherheit
Eine Interaktion mit Blicken vertieft eine Gesprächssituation und schafft damit eine Nähe, die man eventuell nicht zulassen oder noch nicht ertragen kann. Durch lebhaften Austausch von Augen-Blicken entsteht eine emotionale Bindung. Nicht jeder Mensch kann das ohne weiteres aushalten und fühlt sich tief verunsichert, wenn er keine tragfähigen Beziehungsmuster in sich hat und schlicht nicht weiß, wie er weiter agieren soll. Das Abwenden stellt dann eine gerade dringend benötigte Distanz wieder her.
» Schmerzhafte Gefühle
Blicke offenbaren Gedanken und Absichten und Emotionen weit stärker als Worte das tun. Das könnte bei einer traumatisierten Person schmerzhafte Gefühle wie Scham und Angst auslösen. Selbst wohlwollende oder mitfühlende Blicke können schmerzen und oft können frühkindlich traumatisierte Menschen gute Gefühle erst nach einer Weile der Therapie aushalten. Das hängt mit dem Nervensystem zusammen, denn Emotionen zuzulassen ist keine Einbahnstraße. Wenn man sich guten Gefühlen öffnet, wird der Weg automatisch auch für negative Gefühle frei, die dann nach oben geschwemmt werden. Deshalb vermeiden die Betroffenen es oft, Gefühle zu spüren und schotten sich innerlich ab.
» Gefühl der Unterlegenheit
Gerade traumatisierte Personen haben kein starkes Selbstwertgefühl und sehen sich als „Rangniedriger“, was ihnen dann nicht „erlaubt“, einen Blickkontakt längere Zeit zu halten oder von sich aus herzustellen. Fühlen sie den Blick einer anderen Person auf sich ruhen, kann das als Dominanz ihnen gegenüber aufgefasst werden. Diese wiederum bedeutet Gefahr, denn durch dominante Menschen wurden ihnen schreckliche Dinge zugefügt. Sie haben erlebt, dass sich autoritäre und aggressive Personen in ihrem Leben durch Augenkontakt provoziert fühlten und unter Umständen mit direkter Gewalt reagiert haben. Blicke abzuwenden kann in diesem Fall dann den Wunsch andeuten „unsichtbar“ sein zu wollen und keine Gefahr hervorzurufen Gleichzeitig zeigt es Unterwerfung an, um Schaden abzuwenden.
» Spezifische Triggerfunktion
Manchmal ist es auch so, dass traumatisierte Menschen sich durch Blicke getriggert fühlen. Vielleicht wurden sie als Kind besonders häufig bloßgestellt, erniedrigt, blamiert und beschimpft und waren dabei ständigen, attackierenden Blicken ausgesetzt. Oder es gab Situationen, in denen sie buchstäblich bloßgestellt wurden, also entkleidet und auf andere Weise entwürdigt und in ihrer ganzen Hilflosigkeit und Scham den Blicken von Tätern ausgesetzt waren. Es gibt auch Täter, die Blickkontakt einfordern, während sie ihr Opfer beschimpfen oder erniedrigen. „Schau mich an, wenn ich mit dir rede“ ist dann eine Drohung und das Opfer erlebt höchste Gefühle der Ohnmacht, Angst und Hilflosigkeit, wenn es Augenkontakt herstellen muss. An solche und ähnliche Situationen kann sich ein Betroffener dann leicht erinnert fühlen, wenn andere Menschen ihn betrachten. Selbst wenn es im Heute ganz neutrale Umstände sind.
„Wie lange dauert es, bis das weggeht?“
In einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung wird sich das mit der Zeit legen. Wie schnell das geht, kann ich nicht pauschal beantworten. Es hängt sicher davon ab, wie schwer die Traumatisierung war und wie gut die angewendete Therapie wirkt. Zeit und Geduld sind hier vor allem gefragt. Auch die Geduld mit sich selbst! Es ist sehr wichtig, mit der Therapeutin solche Dinge immer zu besprechen, denn sie hat jedes Verständnis dafür und stimmt ihr eigenes Verhalten darauf ab.
Wertvoll kann auch die Erkenntnis sein, dass man mit dem bewussten Unterbrechen des Blickkontaktes die eigenen Grenzen stärken lernt! Es kann spannend sein, mit gezielt eingesetztem Augenkontakt spielerische Grenzübungen zu machen. Sie sind eine wundervolle Ergänzung innerhalb einer Traumatherapie. Übungen zu Nähe und Distanz ermöglichen es der traumatisierten Person zu realisieren, dass sie eine Wohlfühlzone hat und wo diese verläuft und dass diese Zone bei jeder Kontaktperson völlig anders sein wird. Diese Erfahrungen dann im Alltag umzusetzen, ist der direkte Erfolg der Therapie.
Es ist auch völlig in Ordnung, dass man während einer Behandlung nicht die Augen schließen möchte. Es vermittelt ein Gefühl der Sicherheit und Kontrolle, alles im Blick zu behalten – und zwar so lange, bis man sich völlig sicher fühlt. Ich biete meinen Patienten immer ausdrücklich an, selbst zu wählen, ob sie bei einer Entspannungsübung oder Imaginationsübung die Augen schließen möchten oder lieber nicht. Das gehört für mich ganz selbstverständlich dazu und ich weiß, dass auch das Zeit braucht.
Gefühle der Sicherheit brauchen viel Zeit, bis sie wachsen können!
„Kann man auch Traumata auflösen, an die ich mich nicht erinnern kann?“
Diese Frage ist ganz aktuell gestellt worden.
Die betroffene Patientin ist in psychotherapeutischer Behandlung und die behandelnde Therapeutin kam nach einigen Sitzungen zum Schluss, dass es in der Vergangenheit wahrscheinlich traumatisierende Erlebnisse gegeben haben muss.
Zu dieser Einsicht kam sie, weil es unbehandelbare und auch unerklärliche Symptome gibt. Diese sind u.a. wie ich oben schon beschrieben habe:
- unerklärliche und ständige Unruhe
- Gereiztheit ohne äußeren Anlass
- unklare und häufige Albträume
- Pavor nocturnus
- psychotisch anmutende Gedanken
Die Frage, die mir die Leserin nun stellte ist: Sie kann sich nicht bewusst an ein Trauma erinnern, beklagt allerdings auch Gedächtnisverlust für viele Bereiche der Kindheit. Sie fragt sich nun, ob es möglich sein kann, auch nicht erinnerbare Traumata zu verarbeiten.
» Wie kommt man an ein Trauma heran, das ganz tief „vergraben“ ist?
Als erstes betone ich, dass es nicht zwingend ein Trauma geben muss, wenn man oben genannte Symptome zeigt. Es erfordert eine sorgfältige Anamnese, um diesen Verdacht zu erhärten. Allerdings hat meine Erfahrung in den letzten 10 Jahren gezeigt, dass es in vielen Fällen so ist. Dabei ist jeder Zeitraum möglich, also schon vorgeburtlich, während der Geburt, kurz danach bis hin zu Kindheit und Jugend. Und JA, es ist tatsächlich möglich, dass traumatische Inhalte dem bewussten Gedächtnis nicht zugänglich sind.
Die gute Nachricht direkt schon hier: Zum Glück kann man mit einer körperorientierten Traumatherapie auch abgespeicherte Traumata heilen, die dem bewussten Gedächtnis nicht zugänglich sind.
„Aber wieso kann ich mich denn nicht erinnern, wenn es doch passiert ist?“
- Die Antwort liegt zum einen darin, dass wir bis zu einem bestimmten Lebensalter unsere Erlebnisse nur im so genannten „impliziten Gedächtnis“ abspeichern können. Ein Säugling zum Beispiel hat einfach noch keinen Rahmen, der es ihm erlauben würde, Erfahrungen nach diversen Kriterien abspeichern und abrufen zu können. Also visuell oder verbal einordnen und kommunizieren zu können. Die Erfahrungen werden also abgespeichert und auch im impliziten Gedächtnis verwahrt, können aber nicht in Sprache wiedergegeben werden. Man sagt, dass die ersten bewussten Erinnerungen („explizites Gedächtnis“) erst ab ungefähr dem dritten Lebensjahr beginnen.
- Die weitere Erklärung ist, dass Erlebnisse, die das derzeitige Bewältigungsvermögen eines Menschen überfordern, vom Gehirn abgespalten werden. Dies dient zum Schutz, weil es nicht genügend oder keine adäquaten Möglichkeiten gibt, anders mit dem Erlebten umzugehen. Es gibt dazu die Diagnose „Dissoziative Amnesie“. Das Gehirn bedient sich dieses Kunstgriffes, um dem Menschen ein Weiterleben zu ermöglichen. Es ist dann wie eine verborgene und verschlossene „Wissenskapsel“ im Gedächtnis. Allerdings „streut“ diese Wissenskapsel im Nervensystem, denn eine völlige Auslöschung von Gedächtnisinhalten ist nicht möglich. Dieses Streuen führt dann u.a. zu oben genannten Symptomen.
„Wie schafft man es dann in der Therapie, diese Inhalte bewusst zu machen?“
- Eine ganzheitlich orientierte Traumatherapie arbeitet auch mit Körpersymptomen. Sie sind sozusagen der Schlüssel zum System und auch zu abgespaltenen Gedächtnisinhalten. Unsere Körperzellen speichern ein Trauma genauso ab wie das (unbewusste) Gedächtnis. Haben Sie einen schweren Sturz erlebt, speichert sowohl der betroffene Körperteil den Schmerz und den Hergang ab, als auch das Gehirn.
- Wenn wir in der Traumatherapie mit einer Verarbeitung starten wollen, reicht uns deshalb oft auch das „äußere Symptom“. Zum Beispiel die dauernde Übererregung oder Angespanntheit, oder ein häufig wiederkehrender unerklärlicher Schmerz. Wir benennen dieses Symptom, finden heraus, wo und wie es im Körper sich anfühlt und dann starten wir die Bearbeitung mit einem entsprechenden Verfahren.
- EMDR, Brainspotting und EFT nenne ich hier beispielhaft, weil ich mit ihnen arbeite. Sie sind genau darauf ausgerichtet, die assoziativ verknüpften Erlebnisse ausfindig zu machen und dann aufzulösen. Erstaunlicherweise funktioniert das auch, wenn wir bis zum Schluss auf der reinen (Körper-) Symptomebene bleiben! Manche Menschen möchten oder können sich weiterhin nicht an die Einzelheiten eines Erlebnisses erinnern und das muss auch nicht sein.
⇒ Was durch den Zugang des Körpersymptoms aufgelöst wird, hat auch die entsprechende Verknüpfung im Gehirn auflösen können.
Ich finde, dass dies eine sehr gute Nachricht ist und auch Jedem Mut machen kann, der nicht über seine Erlebnisse sprechen möchte… ob er sie nun erinnert oder nicht.
„Kann es sein, dass ich mir Erinnerungen nur „einrede“ oder „zurechtbiege“ ?
Diese Frage schließt sich thematisch ganz gut an die vorherige an. Es geht um Traumata, die man „erinnert“, ohne sich wirklich richtig erinnern zu können. Und dann stellt man sich vielleicht die Frage, ob man sich irrt, sich etwas einredet oder sich Erinnerungsfetzen und Theorien darüber zurechtbiegt.
⇒ Ich persönlich glaube, dass es wichtig ist, an dieser Stelle die Grübelei darüber – ob, oder ob nicht, – erst einmal bewusst abzubrechen.
Das kann Befremden auslösen oder Widerstand. Deshalb möchte ich diese Aussage untermauern, denn in der Praxis habe ich erlebt, wie sehr belastend dieser zwiegespaltene Zustand sein kann.
Rufen wir uns ins Gedächtnis zurück: Erinnerungen und Ereignisse (auch traumatische) werden auf zwei Ebenen abgespeichert:
- Die kognitive Ebene, das explizite Gedächtnis: das umfasst alle Zahlen, Daten, Fakten und wichtige Eckdaten zu einem Ereignis.
- Die körperliche Ebene, das implizite Gedächtnis: hierzu zählen die Körpererinnerung, die Gefühlsebene, die verknüpften Emotionen.
Wenn nun aus bestimmten Gründen das kognitive Gedächtnis die Erinnerungen abspaltet und der Hergang nicht klar abzurufen ist, verbleibt immer noch die zweite Ebene und die Speicherung im Körper und den Emotionen. So kann es sein, dass man sich an etwas nicht bildlich und faktisch erinnern kann, jedoch der Körper mit Symptomen reagiert, die unangemessen und verwirrend sein können.
Ein Fallbeispiel soll das verdeutlichen
Ein Baby braucht wegen eines angeborenen Hüftschadens eine Gipsverband und muss für etliche Wochen darin liegen. Das erzeugt natürlich starkes Unwohlsein beim Säugling, denn er weiß ja nicht, warum er da so „gefangen“ liegen muss und der natürliche Bewegungsdrang gehemmt wird. Im späteren Verlauf des Lebens zeigt sich u.a. bereits in der Schule eine starke Abwehr gegen jede Art von auferlegtem Stillsitzen verbunden mit auffälliger Unruhe und Stör-Mentalität im Unterricht. Begleitet wird das Verhalten von Konzentrationsstörungen und Aggressivität gegen die Lehrer. Später zeigt sich auch eine wachsende Gegenwehr bei Körperberührungen, besonders wenn sie länger anhaltend sind und als einengend eingestuft werden. Die empfundene Einschränkung geht einher mit Atemnot, Schweißausbrüchen und Herzklopfen und endet schließlich mit sozialem Rückzug. Menschen werden zunehmend als generell unangenehm empfunden.
Diese Symptome stehen scheinbar in keinem Zusammenhang zum jeweiligen äußeren Geschehen, sind unangemessen und teilweise unerwünscht. Der Leidensdruck der betroffenen Person ist hoch. Sie hat keine Erklärung für ihr seltsames Verhalten, das völlig selbständig und gegen ihren Willen abläuft. Zwischendurch hat sie huschende Fetzen von Erinnerungen, die jedoch durch nichts zu bestätigen sind. Diese Fetzen sind so schemenhaft, dass sie sie nicht einmal in Worten ausdrücken kann. Es ist nur wie eine Art unklarer Nebel, der von Klängen unterbrochen wird, insgesamt aber wie ein ganz fernes Echo zu sein scheint.
Die betroffene Person kann sich natürlich nicht selbst an dieses vor-sprachliche Ereignis erinnern. Diese sehr frühe Erfahrung mit hoher Frustration und Hilflosigkeit ist kognitiv nicht abrufbar und „nur“ im impliziten Gedächtnis abgespeichert. Von dort aus wirken auch die Mechanismen, die Gefühle von Stress und Bedrohung aktivieren. In diesem Fall ergibt sich durch die Anamnese ein neuer Blick auf die Situation und kann die Symptome plausibler machen. Das alleine führt schon zu einer Entlastung und die Behandlung kann dann zusätzlich helfen.
» Was aber, wenn es trotz Forschens keine Erklärung gibt?
Was aber, wenn sich auch auf Nachfragen keine Hinweise oder Erklärungen für gewisse Symptome oder Erinnerungsbruchstücke- und Bilder anbieten? Dann versuche ich, eine neutrale Haltung einzunehmen. Es KANN sein, dass ein Trauma zugrunde liegt, es MUSS aber nicht sein. Ich bestehe natürlich nicht darauf, nur weil es meine Theorie ist und es ist vorerst müßig, weiter zu spekulieren.
Was wir definitiv haben, sind unerwünschte Symptome und da kann man immer ansetzen, unabhängig von einer Entstehungstheorie. Wichtig ist das Heute. Wie geht der betroffene Mensch damit um, dass er solche Bilder und Befürchtungen hat? Was bewirkt es in seinem Leben? Welche Ängste ergeben sich daraus? Was wäre anders, wenn er es definitiv wüsste?
Meine Herangehensweise ist frei nach Sokrates: ich weiß, dass ich nichts weiß und ich arbeite mit dem, was sich gerade zeigt!
Nur der betroffene Mensch hat in seinem Gehirn die Wahrheit und seine Lebensgeschichte gespeichert. Ich als Behandler kann und möchte nicht „auf Verdacht“ deuten und spekulieren. Ich sehe meine Aufgabe darin, den Menschen mit meinen Verfahren entlang seiner Symptome bis zur Wurzel zu begleiten. Manchmal lüftet sich dann der Schutzmantel, der um ein verhängtes Ereignis gelegt wurde…. manchmal jedoch nicht. Ich bezeichne diese Arbeit gerne als „Blindflug“ und muss mich dann ganz auf meine Beobachtungsgabe und meine Erfahrung und meine Verfahren verlassen. Manchmal sind Patienten frustriert, weil sie gerne wissen möchten, was da abgekapselt ist. Dann gebe ich offen zu, dass ich es auch gerne wüsste und es mit ihnen gemeinsam betrachten würde.
Aber am Ende einer Sache ist das System / das Unterbewusstsein eines Menschen immer der Klügere… wenn es nicht „rauskommen“ soll, dann ist das das Beste für ihn. Und den Respekt und die Demut davor versuche ich auch in der Sitzung zu vermitteln und den Klienten damit auszusöhnen. Das Gute ist ja, dass die Verarbeitung trotzdem erfolgt und die gemeinsame Arbeit und die Hinwendung zur Heilung beiträgt.
⇒ Ich persönlich glaube, manchmal muss man den Ursprung von Chaos nicht kennen, um es zu beseitigen.
„Lohnt sich der ganze Aufwand? Hilft mir das wirklich?“
Diese an mich in meiner Praxis einmal gestellte Frage möchte ich aus ganzem Herzen mit „JA“ beantworten!
Ja, es kann helfen, ja es kann sich lohnen, ja es kann danach alles anders sein.
Eine Garantie gibt es dafür natürlich nicht, aber es kann eine deutliche Verbesserung der Symptome geben und somit neue Lebensqualität schenken. Die Vergangenheit kann als bearbeitet abgelegt werden und der Weg in die Zukunft sich künftig ganz anders gestalten. Es lässt sich schwer beschreiben und in Worte fassen, welche Höchstleistungen unser Gehirn da vollbringt. Aber es schafft Raum für Wege, die neue Gefühle zulassen und Ruhe ins Leben bringen können.
Fragen Sie und (ver)suchen Sie… den ersten Schritt gehen Sie!
Vermissen Sie (noch) Antworten zur Traumatherapie… ?
Sie haben noch Fragen und hätten gerne weitere Antworten rund um die Traumatherapie? Stellen Sie diese einfach in den Kommentaren oder kontaktieren Sie mich per Email. Ich ergänze diese Auflistung dann gerne, sicherlich ist es auch für andere Leser von Nutzen. Wenn Sie möchten, dürfen Sie auch Ihre Erfahrungen hier teilen, die Kommentarfunktion erlaubt mir, die Namen anonymisiert wiederzugeben.
Im Beitrag „Trauma – was es ist und wie es seinen Anfang nimmt“ können Sie zu Trauma ganz allgemein weitere Informationen finden.
Ich wünsche jedem Leser und Betroffenen eine gute Perspektive für die Zukunft!
Herzlichst
Regina Herzog-Visscher
p.s.: In meiner Praxis arbeite ich mit der EMDR Methode und mit der EFT-Klopfakupressur in allen Varianten um belastende Erlebnisse aufzulösen. Dabei beziehe ich auch das „innere Kind“ und das „innere Team“ mit ein. Gerne stehe ich Ihnen für einen kostenlosen Informationstermin zur Verfügung.
p.p.s: Wenn Sie diesen Artikel hilfreich und interessant finden, teilen Sie ihn gerne in den sozialen Netzwerken. Herzlichen Dank!
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34 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hilfreiche Darstellung.
Woher weiß ich als Trauma II Patientin ( rituelle Gewalt ) das meine Traumatherapie ambulant ohne EMDR einenmal wöchentlich Sitzung seit einem Jahr bei mir zu Hause seit 5 Jahren in Behandlung ohne Abrechnung seit 2016 laut TK die Richtige ist?
Habe nicht das Gefühl voran zu kommen.
Liebe Frau S., vielen Dank für Ihren Kommentar! Natürlich kann ich aus der Entfernung keine wirklich hilfreiche Aussage treffen. Die Traumtherapie bei ritueller Gewalt ist sicherlich sehr anspruchsvoll und es braucht viel Erfahrung dafür. Und es wäre auch wünschenswert, dass sich das Gefühl einstellt, voranzukommen. Sie schreiben, die Therapie ist ohne EMDR… haben Sie es denn jemals mit einer EMDR-gestützten Therapie versucht? Das bewirkt manchmal wirklich einen ganz neuen Ansatz. Sollten Sie persönlichere Informationen erfragen wollen, schreiben Sie mir ruhig eine Email. Das ist dann auch diskreter für Sie und ich nehme mir gerne die Zeit für die Antwort. Herzliche Grüße, Regina Herzog-Visscher
Mein man ist sehr gewalttätig war das halbe Leben nur im Knast hat mich fast jeden Monat geschlagen bis ich sagte jetzt machst du eine Therapie unter Hypnose !ind es dauerte lange aber es wurde nur ganz langsam besser !imker wieder kam die Polizei die ich meistens rief um ihm zu beruhigen einmal war er 72std gewalttätig da lies ich ihm mitnehmen !Schaffe es nur einmal im Monat ihn nach Wiesbaden zu bringen habe uns neues Leben aufgebaut waren obdachlos und ich hoffe bis nächstes Jahr haben wir ihm hoffentlich gesund !ich muste einiges aushalten dachte er bringt mich um !bis auf paar Schreiereien wen wir draußen sind ist kaum noch was passiert !Hat sich auch draußen zu Schlägereien verabredet bin dazwischen hab beide getrennt mit Polizei verhandelt mein ex ist Polizist hab gute Kontakte und ihn Komplet aus seinen kriminellen Umfeld rausgezogen !Arbeite mit den Bullen zusamen wen ich nicht weiter komm dan beruigen die den mit paar Drohungen und sagen selber wow haben sie ihn gut im Griff !!Er würde wir ich geschlagen als Kind von Vater da is sein Trauma!Selbr der Therapeut sagt Wahnsinn wie du das aushälstt!ich hoffe bald haben wir es geschafft !!
Liebe Frau F., vielen Dank für Ihre Schilderung. Das alles war und ist sicher nicht einfach für Sie! Für Ihre Zukunft wünsche ich Ihnen, dass sich eine dauerhafte Lösung ergibt. Ich wünsche Ihnen, dass Sie gut auf sich acht geben und dass Sie sich immer an helfende Personen wenden können, wenn es nötig ist. Alles Gute und herzliche Grüße. Sollten Sie eine weiterführende Frage haben, schreiben Sie mir gerne eine Email. Regina Herzog-Visscher
Guten Tag, Frau Visscher,
ich bin seit drei Jahren in Verhaltenstherapie. Nun erzählte ich meiner Therapeutin von einem aktuellen Ereignis aus der Tagesschau und meinen Emotionen und körperlichen Reaktionen dazu. Deshalb vermutet sie nun, dass ich vielleicht eine Traumafolgestörung habe und mich an eine große Trauma-Ambulanz verwiesen bei der ich schon bald einen Termin habe. Aus diesem Grund bin ich auf ihre Seite gestoßen. Sie erklären ganz wunderbar und Ihre Artikel sind eine große Hilfe. Vielen Dank! Nun zu meiner Frage: Wenn ich mich kaum bis gar nicht an meine Kindheit erinnern kann (ich bin jetzt 45 Jahre alt), bedeutet das zwangsläufig, dass ich dort auch schon ein Trauma erlitten habe oder das zumindest etwas in der Kindheit vorgefallen ist, das ich nicht einordnen konnte? Ersteres auf jeden Fall habe ich während meines Studiums (Soziale Arbeit) gehört. Damals konnte ich mich auch schon nicht oder eher wenig erinnern (ich war 24 Jahre alt).
Viele Grüße
C.S.
Liebe Frau C.,
Vielen Dank für Ihren Erfahrungsbericht. Ich werde Ihnen per Email noch ausführlicher antworten, und gehe hier nur auf einen Punkt ein, da er auch für andere Menschen von Interesse sein kann. Tatsächlich kann eine auffallend schwache Erinnerung an die eigene Kindheit auf ein oder mehrere traumatische Erlebnisse hindeuten. Natürlich kann es auch andere Ursachen haben, aber häufig sind es unbewusste Abspaltungen von Erinnerungen, die zu schmerzhaft sind, um sie im bewussten Gedächtnis zu bewahren.
Viele Grüße an Sie und bis bald per Email. Regina Herzog-Visscher
Vielen Dank für die Informationen zur Traumatherapie. Meine Frau hatte kürzlich einen traumatischen Vorfall und braucht Hilfe. Ich werde mein Bestes tun, um einen Psychotherapeuten zu finden, mit dem sie sich treffen kann. https://www.kurzzeittherapie.at/
Vielen Dank für Ihre Nachricht! ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Suche. Ihre lösungsorientierte Therapieform klingt ebenfalls sehr ansprechend! Alles Gute für Ihre Frau. Herzliche Grüße Regina Herzog-Visscher
Vielen Dank für diesen ausführlichen Beitrag zum Thema Traumatherapie. Ich habe selbst lang gezögert, doch die Flashbacks wurden schlimmer und so hab ich festgestellt, dass mir eine Therapie helfen könnte, wie Sie hier auch schreiben. Ich bin froh, damit begonnen zu haben und kann allen Betroffenen dazu raten. Auf der Suche bin ich auf folgende sehr zu empfehlende Seite gestoßen: http://www.psychotherapie-innsbruck.at/
Vielen Dank, dass Sie Ihre Erfahrung hier teilen. Die Therapeutin, die Sie empfehlen, wirkt sehr sympathisch. Ich wünsche Ihnen weiterhin gute Genesung auf Ihrem Weg! Freundliche Grüße an Sie, Regina Herzog-Visscher
Guten Tag, ich würde gern wissen,ob eine Traumakonfrontation ambulant machbar ist,wenn die Patientin alleinerziehend ist und kein soziales Umfeld hat,was sie unterstützt. Ein stationärer Aufenthalt ist wiederum nicht möglich,da die Kinder von niemandem betreut werden könnten während der Abwesenheit. Verzichtet man dann auf Konfrontation? Die Patientin leidet unter einer komplexen PTBS durch sexuelle und körperliche Gewalt. Danke.
Liebe Cyn. Grundsätzlich darf ich natürlich aus der Ferne so etwas nicht beurteilen. Ich kann aber meine eigene Meinung und Vorgehensweise schildern. Das tue ich sehr gerne wie folgt:
Voraussetzung ist ja zunächst, dass die Patientin die Auflösung und Konfrontation wünscht. (Es könnte ja auch sein, dass sie nur allgemeine Stärkung wünscht), Im Falle, dass sie auch das Geschehene auflösen möchte, würde ich vorher jedoch ganz besonders auf eine Stabilisierung der Patientin Wert legen. Durch Ressourcenstärkung und Selbsthilfetechniken (ich würde hier Tools aus der Atemtherapie und aus der Klopfakupressur einsetzen) würde ich ihr helfen, besser im Alltag zurecht zu kommen. Erst wenn eine deutliche Stärkung zu bemerken ist, kann man an die Konfrontation gehen. Oftmals ist es dann so, dass viele Symptome der PTBS unterschwellig schon mit bearbeitet wurden, denn die Tools wirken ja auf allen Ebenen. Die Konfrontation selbst würde ich nur sehr gut eingebettet in die oben genannten Tools durchführen. Mein Ansatz ist sowieso eine sehr sanfte Art der Konfrontation und das würde ich auch in solch einem Fall so halten.
Fazit: Konfrontation ja, wenn es der Patientenauftrag ist, aber erst ziemlich am Schluss. Ich wünsche Ihnen alles Gute und wenn Sie weitere Fragen haben, schreiben Sie gerne. Viele Grüße, Regina Herzog-Visscher
Guten Tag,
wie lange dauert es bis man ein langjähriges Trauma (sexuelle Gewalt) in der Traumatherapie überwunden hat? Läuft es bei jedem individuell vielleicht anders ab und hängt es von der Therapie Form ab?
Mit freundlichen Grüßen
Moni
Liebe Moni, Danke für Ihr Vertrauen und Ihre Frage!
Jetzt weiß ich gar nicht, ob Sie schon in Therapie sind oder sich nur grundsätzlich mal eine Vorstellung machen möchten? Ich antworte mal so: In der Tat ist es so, wie Sie selbst sagen: es hängt auch von individuellen Faktoren ab. Je nachdem, wie stabil und gut sich jemand in der Therapie fühlt, oder wie gut und stabil sein Umfeld ist und ihm bei der Verarbeitung auch ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln kann… es hängt von diversen Faktoren ab. Auch die Art der Therapieform ist maßgeblich an der Dauer der Therapie beteiligt. Wie ich schon oben beschrieben habe, dauert eine Psychoanalyse zum Beispiel per se schon einfach viel länger (mehrere Jahre), als zum Beispiel eine traumaspezifische Therapie mit EMDR (rund 15 Sitzungen, wenn es gut läuft)
Was unabhängig von allem da sein sollte ist das Gefühl, dass es voran geht… langsam aber sicher… Wenn Sie das Gefühl haben, zu lange auf der Stelle zu treten oder gar keine Veränderung /Verbesserung feststellen, sollten Sie es vertrauensvoll mit Ihrem Therapeuten besprechen. Ich hoffe, diese Antwort hilft Ihnen jetzt schon ein bisschen weiter. Alles Gute wünsche ich Ihnen! meine besten Wünsche, Regina Herzog-Visscher
Sehr geehrte Frau Visscher,
Ich falle am besten gleich mit der Tür ins Haus :Momentan bin ich in einer Traumatherapie. Wir sind nach ca einem 3/4 Jahr darauf gestoßen. Die aktuelle Lage (Corona, Isolation, nicht arbeiten dürfen) erschwert das Ganze für mich. Trotzdem würde ich gerne wissen, ob eine Erstverschlechterung über mehrere Wochen normal ist. Mit den einzelnen Situationen habe ich noch keine Konfrontation machen können aber darüber geredet haben wir mittlerweile. Ich fühle mich leider nicht sehr gut. Davor war dir Therapie oft sehr hilfreich, aber jetzt geht es mir wirklich schlechter und ich kann schwer einschätzen, ob dies an dem Trauma liegt oder der fehlenden Konfrontation oder der Zeit die noch verstreichen muss oder ob es schlichtweg ein Fehler war oder etwas schief läuft.
Ich hoffe sehr, sie können sich die Zeit nehmen, mir ihre Sichtweise zu schildern, vor allem auf die Dauer des Negativzustands (unter anderem auch sehr depressive Phasen)
Vielen Dank schon einmal im Voraus für Ihre Mühe
MfG S.
Liebe Frau S., vielen Dank für Ihr Vertrauen durch diesen Kommentar.
Wie immer kann ich das aus der Ferne nicht richtig beurteilen und kann daher nur auf meine eigene Vorgehensweise zurückgreifen. Zuallererst empfehle ich Ihnen ganz dringend, diese Frage sofort mit Ihrem Therapeuten zu besprechen, denn er muss das unbedingt wissen, um weiter zu entscheiden und zu richtig zu behandeln. Vielleicht hat er/sie gar nicht bemerkt, dass es Ihnen so schlecht geht. Er/Sie braucht jedoch diese Information, um einzuschätzen, ob die Art der Behandlung zur Zeit richtig für Sie ist. Eine Erstverschlechterung – vor allem mit sehr depressiver Reaktion – über mehrere Wochen sollte nicht sein. Ich selbst würde dann die Behandlungsform anpassen und wieder mehr stärkend arbeiten oder schauen, ob das Therapieverfahren überhaupt das richtige für Sie ist. Offensichtlich war die Therapie anfangs ja sehr hilfreich, also war dieser Teil „passender“ für Sie und konnte Ihnen gut tun. Bitte überlegen Sie mit Ihrem Therapeuten, was danach anders wurde und was davon Ihnen nicht so gut tut. Ihre Information mit der Konfrontation durch Gespräche kann ich nicht so gut einschätzen, bitte sprechen Sie auch das sofort an. Manche Menschen reagieren nicht so gut, wenn man „nur“ darüber spricht. Das Nervensystem wird bei einer Schilderung sehr gestresst und wenn dann keine Regulierung erfolgt, könnte es sein, dass man im Stress „stecken bleibt“.
Aus meiner Erfahrung heraus kann ich Ihnen bestätigen, dass auch Ihre Selbsteinschätzung richtig sein könnte bezüglich der Corona-bedingten Isolation. Die ist auch für stabile Menschen schon eine schwierige Erfahrung. Als unerwünschte Begleiterscheinung während einer Therapie mit heftigem Thema bietet sie sicherlich nicht das richtige stützende Umfeld, das man dann braucht.
Mein wirklicher Rat an Sie wäre, bitte sprechen Sie all diese Punkte bei Ihrem nächsten Termin an, damit Sie wieder stabiler werden können. Ich wünsche Ihnen alles Gute und grüße Sie sehr herzlich, Regina Herzog-Visscher
Ich habe DIS mit langjährigen Gewalterfahrungen, RG, ICH HABE KEINE Gefühlsüberflutungen und kein Gedankenkarussel, dafür aber zuhauf körperschmerzen, weil die innere Kommunikation Nr über Schmerzen geht. Programmiertes Redeverbot , erinnerteErinnerungen werden meist wieder vergessen. Keine Gefühle dazu. Im Alltag meist stabil, wenn ich nicht so viel angetriggert würde/Amnesien. Reichhaltige Recourcen, Ich weiß nicht, ob die therapieform nach L.Reddemann oder M.Huber für mich besser geeignet wäre. Verhaltenstherapie sehe ich nicht als dringend notwendig an, bin hochfunktional , zu welcher Therapieform würden Sie mir raten??
3L5w
Liebe Frau C. Gerne dürfen Sie mir auch über die Kontaktseite eine Email schreiben, dann kann ich noch ein bisschen konkreter werden. Ich denke, wichtiger noch als die Wahl der Therapieform ist bei Ihnen auf jeden Fall, dass ihr Therapeut sicher und sehr erfahren ist im Umgang mit DIS. Die Verhaltenstherapie sehe ich hier auch nicht als geeignet, da kann ich Sue gut verstehen. Ich würde auch Therapieformen bevorzugen, die besonderen Augenmerk darauf legt, Ihr Gefühl der Körperwahrnehmung gestärkt wird. Neben Luise Reddemann „PITT“ eignet sich auch ganz besonders Somatic Experiencing nach Peter Levine und „Somatische Emotionale Integration“ von Dami Charf. Bei den beiden Verfahren geht es darum, sich selbst wieder spüren zu können, sich abgrenzen zu können und Sicherheit im Körper zu erleben. Falls Sie möchten, kann ich bei sehr erfahrenen Kolleginnen erkundigen, wer in der Nähe Ihres Wohnortes bereits mit DIS arbeitet und bei wem Sie gut aufgehoben wären. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen alles Gute auf Ihrem Weg. Viele Grüße, Regina
Hallo,
Ich habe ein Trauma Typ II, Borderline und eine dissoziative Störung. Ich habe sehr viele und krasse Flashbacks und Dissoziationen mit Krampfanfällen und bewusstlos werden. Ich dusche auch extrem viel und habe Probleme mit Essen, allerdings keine Zwangs- oder Essstörung als Diagnose, aber habe auch nie richtig darüber mit einer Therapeutin gesprochen. Ich war mehrfach in einer Klinik zur Intervallbehandlung, habe diese allerdings abgebrochen, da ich mit der Therapeutin nicht klar komme und auch nicht wechseln durfte. Seit kurzem mache ich eine ambulante Verhaltenstherapie, aber würde eigentlich gerne eine richtige Traumatherapie machen mit Konfrontation. Ich wüsste gerne, ob das bei mir auch ambulant möglich wäre und welches Verfahren da das Richtige wäre. Ist eine Konfrontation überhaupt möglich mit solchen Dissoziationen?
Viele Grüße Jay
Liebe Jay, erst einmal: vielen Dank für Ihr Vertrauen und Ihre Frage! Ich werde Ihnen noch per Email antworten, aber hier erst einmal vorweg: Mit dem Störungsbild ist es natürlich schwieriger, eine ambulante Therapie durchzuführen und es braucht auf jeden Fall jemanden, der sehr erfahren ist im Umgang mit Trauma und mit dissoziativen Momenten. Ich weiß auch nicht, ob eine DIS vorliegt, oder „nur“ andere dissoziative Symptome. Bei DIS braucht es auf jeden Fall ebenfalls jemanden, der sich damit genau auskennt. Sie fragen nach dem Therapieverfahren… grundsätzlich ist es erst einmal wichtig, dass Sie sich gut aufgehoben fühlen. Die Beziehung zwischen Behandler und Klient muss stimmen, denn sie ist der allerwichtigste Faktor. Das Verfahren kommt an zweiter Stelle. Ich selbst bin ein großer Fan von EMDR und mittlerweile auch von Brainspotting. Beides erlaubt eine Verarbeitung ohne große Worte und Wiederholung der erlebten Dinge. Auf jeden Fall sollte es – wie im Artikel auch beschrieben – eine körperbezogene Therapie sein, die das limbische System umstimmend mit einbeziehen kann. Auch Somatic Experiencing kommt infrage. Natürlich ist wegen der Borderline Symptomatik auch eine dialektisch-behavoriale Verhaltenstherapie von gutem Nutzen.. dort lernen Sie nützliche Tools zur Selbstregulierung. Bis hier soll meine Antwort nun genügen, ich schreibe Ihnen später nochmal eine Email. Sehen Sie bitte auch im SPAM Ordner nach. Mit besten Wünschen, Regina Herzog-Visscher
Liebe Frau Visscher
Hilft es dem traumatisierten Opfer, wenn der Täter seine Tat bereut?
Liebe Frau B.
auch Ihnen vielen Dank für Ihre Frage!
Gemäß meiner beruflichen und auch persönlichen Erfahrung kann ich Ihre Frage mit JA beantworten. Tatsächlich kann eine aufrichtige und ernst zu nehmende Form von Entschuldigung und Bedauern dem Opfer helfen, die schlimmen Erinnerungen in der Therapie besser zu verarbeiten. Dem traumatisierten Anteil des betroffenen Opfers tut es gut, wenn das Unrecht benannt und zugegeben wird.
Übrigens gilt das auch und besonders für jede Form von „Mittäterschaft“. Also wenn Menschen im Umfeld böses und gewaltvolles Verhalten ignoriert, gedeckt oder sogar begünstigt haben. Ich habe bemerkt, dass diese emotionalen Wunden oft noch viel schwerer wiegen als die hauptsachliche Tat selbst. Besonders hier kann gezeigte Reue dabei helfen, die tiefen Wunden zu heilen.
Wenn Sie weitere Fragen haben, melden Sie sich gerne nochmal per Email.
Herzliche Grüße an Sie und alles Gute, Regina Herzog-Visscher
Hallo, ich finde, du triffst immer den richtigen Ton. Bitte mach weiter so! VG
Dir auch ein freundliches Hallo 🙂 Danke für deine Rückmeldung… gerade das liegt mir am Herzen, „der richtige Ton“, und deshalb freut mich dein Kommentar umso mehr! Danke für die Motivation. Regina
Hallo! Zunächst vielen Dank für Ihre informative Seite und den Blog sowie das Angebot, hier Fragen stellen zu dürfen. Mich interessiert Folgendes: Ist es wirklich möglich, dass man Traumasymptome haben kann, sich an ein mögliches zugrundeliegendes traumatiserendes Ereignis aber komplett nicht erinnert? Und (wie) kann eine Traumatherapie dann helfen? Ich habe bereits sehr viel Therapieerfahrung (amb. und stat.) und habe diese „Verdachtsmomente“ (bzgl. sex. Gewalt) immer eher draußen gehalten, weil ich wirklich Angst habe, ich würde mir etwas einreden oder mich dann z.B. an Dinge „erinnern“, die vielleicht gar nicht stattgefunden haben. Oder dass ich mir Erklärungen dann so „zurechtbiege“. Und ein/e Therapeut/in kann ja letztlich auch nicht in die Glaskugel sehen und sicher sein, ob Erinnerungen stimmen oder nicht. Und es macht mich manchmal allein schon wahnsinnig, wenn jemand selbst dieses „ich rede mir nur was ein“ als mögliche Traumafolge deutet. Das ist ein permanenter, ziemlich krasser Kampf in mir. Gleichzeitig belasten mich meine Symptome und diese ganzen Zweifel und Unklarheiten sehr. Und gleichzeitig frage ich mich aber auch, ob es nicht vielleicht Sinn macht, sich nicht zu erinnern – und ob ich überhaupt dann weiter da rumkramen sollte. Dann wiederum würde ich einfach gern verstehen, was mit mir los ist – und das ist mir bisher trotz all der Therapien nie ganz gelungen. Aktuell hätte ich „zufällig“ die Möglichkeit, bei einer Traumatherapeutin anzufangen (ich bin eigentlich wegen einer ganz anderen Sache zu ihr gegangen und habe dann erst mitbekommen, dass sie Traumatherapeutin ist….), aber ich bin schon wieder voller Zweifel, ob das richtig ist oder ich mich da in irgendwas „verrenne“. Vielleicht können Sie irgendeinen Impuls dazu schreiben? Das wäre toll. Vielen Dank!
Liebe Frau V, vielen Dank für Ihre wertvolle Frage. Das ist ein Thema, was wirklich Beachtung verdient, denn es betrifft einige Menschen. Die Antwort ist umfangreicher, ich werde im Artikel eine neue Unterrubrik dafür erstellen. Deshalb bitte ich um einige Tage Geduld. Jedoch an dieser Stelle schon mal herzliche Grüße an Sie und meine besten Wünsche! Bis bald, Regina Herzog-Visscher
Sehr geehrte Frau Herzog-Visscher, ich habe mit großem Interesse Ihre Seite gelesen. Ich möchte fragen, ob Sie weiterführende Informationen zur transgenerationalen Weitergabe von Traumata innerhalb der Familie haben. Mich interessiert dieses Thema generell, aber auch aus (vermutlich) persönlicher Betroffenheit. Konkret geht es um die Frage, ob es sein kann, dass die Tabuisierung von und nicht stattgefundene Auseinandersetzung mit sexuellem Missbrauch innerhalb der Familie traumatisierende Auswirkungen auf nachfolgende Generationen haben kann, im konkreten Fall: in der Weitergabe von Großmutter über Mutter zur Tochter. Und falls das so ist: Könnte eine Traumatherapie der Tochter bei unklaren Symptomen bzw. Verdachtsgefühlen helfen, wenn ein Einbezug von Großmutter und/oder Mutter bzw. der tabuisierten Familiengeschichten aber nicht (mehr) möglich ist? Vielen Dank für Ihre Antwort!
Liebe Leserin, vielen Dank für Ihre sehr angebrachte Frage.
Aus meiner Erfahrung kann ich bestätigen, dass unverarbeitete Traumata (hier in dem Fall sexualisierte Gewalt innerhalb der Familie) weitreichende Folgen haben und in Familien weitergegeben werden. Das Thema Missbrauch wurde früher ja noch viel stärker tabuisiert und den betroffenen Kindern, Mädchen, Teenagern blieb nichts übrig, als selbst mit dem Erlebten fertig zu werden und irgendwie weiterzuleben.
Die Traumafolgen blieben trotzdem! Das allein verändert den folgenden Alltag dieser Personen und auch das Verhältnis zu den eigenen Kindern, wenn diese dann geboren werden. Dabei sind die typischen Folgen wie chronische Trauer, depressive Episoden, Scham, Ekel, innerer Dauerstress und gestörte Impulskontrolle ein Grundzustand, der die Beziehung zu den Kindern (oft besonders den Töchtern) grundsätzlich färbt und dirigiert. Es können verschiedene Erziehungsstile daraus resultieren: beispielweise besonders hartherzige, rigide oder ganz nachlässige und schwache.
In den meisten Fällen führt das zu einem Bindungstrauma bei den Kindern, denn Kinder beziehen das Verhalten ihrer Mütter /Väter in den frühen Jahren auf sich selbst und denken, sie seien selbst „böse“, wertlos, überflüssig und schlecht. Je nachdem, wie gut eines dieser Kinder es schafft, als Erwachsener diese Erfahrungen aufzulösen, kann der Kreislauf unterbrochen werden.
Darin liegt auch die Antwort für den zweiten Teil Ihrer Frage: Sie selbst können mit Ihren Gefühlen, die Kindheit betreffend einen Therapeuten aufsuchen und mit ihm gemeinsam bearbeiten. Sie arbeiten also mit ihrem eigenen Trauma und können mit der Zeit durch einen verstehenden Blick auf die Großmutter/Mutter den eigenen Schmerz lösen. Dazu braucht es – wie in Ihrem Fall gefragt – den Einbezug von Großmutter /Mutter nicht. Ich wünsche Ihnen alles Gute und hoffe, dass meine Antwort ein Impuls für Sie sein konnte. Herzlichst, Regina Herzog-Visscher
Sehr geehrte Frau Herzog-Visscher,
bei einer weiteren Nacht des Grübelns und mich im Kreis drehen, was nun die beste Therapie für mich wäre, bin ich auf Ihre Seite gestoßen, die mich sehr anspricht.
Warum drehe ich mich im Kreis? …
Ich habe die Diagnose Komplextraumatisierung erhalten und das war für mich wie ein Schlüssel zu meinen immer wieder kehrenden Problemen trotz einiger Therapien in den letzten 25 Jahren. In verschiedene „Rollen “ schlüpfen, ohne es zu merken, einfach abzuschalten wie als würde ein Schalter in meinem Kopf umgelegt, nicht mehr denken können, das Gefühl zu haben dumm zu sein und dann doch ziemlich schlau und alles zu durchschauen, die Schmerzen in meinem Körper, die Vermeidung, Antriebslosigkeit, Überaktionimus, was ist normal, was komisch, … . Ich habe mich mit diversen psychologischen Themen auseinander gesetzt um die für mich passende „Schublade “ zu finden, um damit leben oder daran arbeiten zu können (ich habe das Gefühl…ich gehe zu 5 verschiedenen Therapeuten und bekomme 10 Diagnosen… Natürlich überspitzt gesehen), um dann über ein Cover eines Buches zu stolpern mit dem Titel „Wer bin ich – und wenn ja wie viele?“ Und dann dachte: Ja! Das verstehe ich. Ich bin viele, wie vermutlich alle oder viele, aber warum bekomme ich dieses Team nicht in Einklang?
Ich habe Angst mit meinen 48 Jahren nie auf einen grünen Zweig zu kommen ohne ständig neu anfangen zu müssen/wollen, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Ich bin sehr anpassungsfähig und dann wieder nicht. Unterwürfig, löse mich auf und dann aber auch wieder stur und in mir angekommen. Aber ich verliere immer wieder alles.
In meiner Reha wurde ich an das Thema Trauma herangeführt (hin und wieder dachte ich auch schonmal das es auf mich zutrifft und dann dachte ich wieder…bilde Dir doch nichts ein…)
Nun habe ich eine Empfehlung für eine stationäre Traumaklinik oder auch Tagesklinik ( wobei mir meine Tagesklinik sagte, dass ich ja schon eine Diagnose habe und dort vermutlich nicht richtig sei ).
Ich drehe mich also im Kreis, denn obwohl ich seit der Reha ( Ende letzten Jahres) krankgeschrieben bin und Zeit habe, um intensiv etwas für mich zu suchen, bin ich oft erschöpft und desillusioniert, weil es wahnsinnig schwierig ist, überhaupt Termine geschweige denn Antworten von Therapeuten, die gesetzlich versicherte behandeln, zu erhalten und ich komme immer wieder dahin, mir besser privat jemanden zu suchen, trotz Krankengeld.
Und gestern noch dachte ich, vielleicht wäre es besser wieder arbeiten zu gehen, wobei ich das sonst immer gemacht habe und diesmal wollte ich es anders machen. Ich habe Angst in der Blase einer stationären Behandlung gut aufgehoben zu sein und hinterher im normalen Leben wieder alles erlernte zu verlieren. Und ich habe Angst für das normale Leben gut aufgestellt zu werden, um wieder zu funktionieren, aber das es nicht um mich und meine Ängste geht und wieder alles von vorne anfängt. Verstehen Sie was ich meine?
Ist es in Ihren Augen sinnvoll ein Trauma erstmal in einer Klinik zu behandeln und danach eine Therapie zu machen oder Jannik es nicht sinnvoller sein, dass Trauma im realen Leben zu bearbeiten, also während der Arbeit und zuhause?
Ich freue mich über eine Antwort und durch die Art Ihrer Seite habe ich den Eindruck, dass Sie Menschen wie mich tatsächlich ernst nehmen.
Viele Grüße
Liebe(r) Leser(in), ganz herzlichen Dank für Ihr großes Vertrauen. Ich kann vor allem Ihren Leidensdruck sehr deutlich spüren und auch die Verwirrtheit. Die Beantwortung Ihrer Frage ist komplex und ich möchte sie nicht öffentlich geben. An dieser Stelle erst einmal viele Grüße und Sie sind jederzeit eingeladen, die Seite zu besuchen, wenn es Ihnen so gut tut. Manchmal ist auch so etwas schon tröstlich, besonders nachts, wenn es besonders akut und überwältigend ist. Alles andere zu einem späteren Zeitpunkt. Herzlichst, Regina Herzog-Visscher
Guten Tag, vielen Dank für Ihre informative und auch sehr übersichtlich und schön gestaltete Seite. Ich bin hierher gelangt, weil ich mich über Trauma & Dissoziation näher informieren wollte, und würde gern die Möglichkeit nutzen, eine Frage zu stellen. Ich weiß nicht, ob sie sich pauschal beantworten lässt; aber vielleicht können Sie ein paar Hinweise geben. Ich bin seit ca. einem Vierteljahr bei einer Therapeutin (TP) in Behandlung, die eine traumatherapeutische Ausbildung hat. Es ging ursprünglich um eine akute Krisensituation, die gar nichts mit einem Trauma zu tun hatte und sich inzwischen auch gebessert hat, d.h. ich bin gar nicht mit einem traumatherapeutischen Anliegen zu ihr gegangen. Im Zuge der Anamnese kamen wir allerdings auf dissoziative Zustände zu sprechen, und es gab im Verlauf der letzten Wochen auch innerhalb der Therapie immer mal wieder Situationen, wo ich weg dissoziiert bin. Ich habe einige Therapieerfahrung hinter mir (Klinik und ambulant), auch da waren Dissoziationen Thema, aber nie eine Trauma- o.ä. Diagnose. Durch eine Frage der Therapeutin bin ich aktuell sehr stark mit einem Thema von früher konfrontiert, was ich bisher immer so ein bisschen umschifft habe. (Ging um die Frage nach Gewalterfahrungen.) Und ich habe gerade das Gefühl, dass es gut und vielleicht an der Zeit wäre, mit ihr mal darüber zu reden, zumal ich mich bei ihr sehr wohl fühle und auch den Eindruck habe, dass sie mit der traumatherapeutischen Herangehensweise/Haltung irgendwie eine andere Atmosphäre schafft, als ich das bisher kannte. Jetzt ist es aber so, dass in den Sitzungen immer wieder Situationen entstehen, wo ich wirklich große Schwierigkeiten habe, „da“ zu bleiben und mit ihr zu reden (genau immer dann, wenn ich mit ihr über dieses Thema reden will). Es fühlt sich an, als würde ich dann in einen Zustand rutschen, wo ich 20-30 Jahre jünger bin. Ich merke, dass sie damit umgehen kann, und ich nehme sie als sehr beruhigend und präsent in diesen Situationen war; aber es macht mir enormen Stress, dass es mir nicht gelingt, mit ihr in Kontakt zu bleiben und mit ihr zu reden. Ich mache mir die ganze Zeit selber Vorwürfe und habe Angst, sie zu nerven, so als würde ich sie permanent „auflaufen“ lassen (sie nicht mehr angucken können, nicht mehr reden usw.). Da diese Zustände im Moment nur auftreten, wenn ich mit ihr über dieses Thema reden will oder wenn das irgendwie angeschnitten wird, frage ich mich, ob es überhaupt sinnvoll ist, das zu besprechen oder ob mein Körper mir irgendwie signalisiert, dass das zu viel ist. Andererseits macht mich das sehr traurig, weil es mir so vorkommt, als würde ich mich selbst boykottieren, denn eigentlich gibt es eine große Seite in mir, die wirklich gern mit ihr über das Erlebte reden würde. Jetzt ist meine Frage, ob das „normal“ ist mit diesen dissoziativen Zuständen und dass ich eigentlich mit ihr reden will und es dann praktisch aber doch nicht kann. Und wie kann es mir gelingen, mehr im Kontakt mit ihr zu bleiben? Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen und diese Symptome in den Griff bekommen soll. Meist kann ich nicht mal in der Situation sagen, wie es mir gerade geht, ich bin dann einfach nur so im „Tunnel“. Macht es Sinn, da „durchzugehen“, oder ist das eher ein Zeichen, dass irgendwas zu viel ist? Mich stresst die gesamte Situation sehr, weil es sich so absurd anfühlt, dass ich mich bei der Therapeutin sehr gut aufgehoben fühle und gern mit ihr reden würde – aber wenn ich es dann versuche, funktioniert es nicht. Manchmal fühlt es sich an, als würde ich „nicht richtig mitarbeiten“, und dann frage ich mich halt auch, ob ich die Therapie überhaupt weitermachen soll, weil ich vielleicht den Platz für jemanden blockiere, der oder die den besser nutzen könnte. Ich weiß gar nicht, ob Sie etwas dazu sagen können. Aber falls Sie irgendeinen Impuls für mich haben, freue ich mich. Vielen Dank!
Guten Tag Frau T.
Vielen Dank für Ihre sehr anschauliche Schilderung eines typischen Dilemmas. Was ich wahrnehmen kann ist, dass Sie sich sehr gut aufgehoben fühlen bei Ihrer Therapeutin. Das ist eine so wertvolle und gute Basis. Vielleicht könnten Sie es in Ruhe aufschreiben , wenn Sie zuhause sind und sich sicher und stabil fühlen. Und dann geben Sie es Ihrer Therapeutin vor oder nach Ihrer nächsten Sitzung. So könnten Sie den Überforderungszustand umgehen, der sich in einer präsenten Gesprächssituation einstellt. Diese Idee hatte ich gerade, denn ich lese auch Ihren Wunsch heraus, dass Sie damit jetzt mal „raus“ wollen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute! Herzliche Grüße, Regina Herzog Visscher
Guten Morgen. Ich bin schon über Jahre immer mal wieder in der Klinik zur Therapie leider hält der Effekt manchmal sogar nur einige Wochen an. Ich gebe zu so richtige Gesundheit in Form von Heilung habe ich nie wieder erreicht! Der beschriebene Effekt bezieht eher darauf das in meinem Alltag besser zurecht komme. Meine Kindheit war ein Trauma mal mehr mal weniger. Auch in meinem Leben gab es ich nenne es mal Erfahrungen weil ich nicht genau weiß ob sie in die Beschreibung Trauma passen auf die ich gerne verzichtet hätte. Nach meiner letzten Therapie ich habe da vieles angesprochen es sind auch Themen dabei wo es keine Hilfe gibt dann habe ich beschlossen es zu verdrängen mühe volle Arbeit aber es hat bis zu einem gewissen Grad funktioniert!.Sehr zu meinem Leidwesen kamen träume wo das was ich mühe weg gesperrt habe drin vorkommt! Manche als wäre das real wo beim aufwachen erstmal mich zurecht finden muss das es eben nicht die Realität sondern ein Traum manche träume beinhalten verschiedene fetzen von Ereignissen die ich am Tage geschafft zu verdrängen. Da es nun nachts wieder geträumt wird ist natürlich wieder da. Ich habe schon öfter mal nachgefragt ob eine Traumatherapie nicht vielleicht sinnvoll wäre in meinem Fall wurde sogar abgeraten das zu tun. Selbst der Chefarzt der Klinik wo ich meist die Therapie erhalten habe hält in meinem Fall gar nichts von einer Traumatherapie es würde das was ich erreicht hätte sogar zunichte machen und könnte meinen Zustand verschlechtern. Die Frage ist welche Ausschluss Kriterien gibt es für eine Traumatherapie? Bzw ist überhaupt richtig das eine Traumatherapie kontraproduktiv sein kann?
Guten Tag M.D.,
mich hat Ihr Schilderung sehr berührt und ich konnte auch eine gewisses Gefühl der Ausweglosigkeit wahrnehmen. Ich darf auch bei Ihnen natürlich keine Beratung vornehmen, da ich Sie nicht kenne und auch keinen Überblick über Ihre Symptome und Ihren allgemeinen Zustand habe. Dennoch möchte ich Ihnen einige Worte auf den Weg mitgeben.
Es kann tatsächlich vorkommen, dass eine Traumatherapie nicht angeraten ist. Besonders dann, wenn der allgemeine Zustand nicht so stabil ist, dass man Ihnen eine aufdeckende Arbeit zumuten würde. Das kann dann nur ein behandelnder Arzt oder Therapeut entscheiden.
Allerdings haben Sie ja auch Albträume, so weit ich Sie verstehen kann – da passiert also immer noch aktiv sehr viel. Meiner Meinung nach könnte da eine Traumatherapeutin schon mal draufschauen. Eine Traumatherapie beinhaltet ja nicht nur „Aufdeckung“ sondern auch trauma-gerechte Stabilisierung und Übungen mit dem Nervensystem, damit sich die Stressansammlung reduzieren kann. Das kann eine sehr verdeckte Art von Arbeit sein, die darauf abzielt, in erster Linie Erleichterung zu bringen.
Vielleicht könnten Sie nochmal mit Ihrem Arzt und /oder Therapeuten darüber sprechen? Es gibt körperlich orientierte Verfahren, die sanft wirken und durch „Pendelübungen“ eine ganz schonende Verarbeitung ermöglichen, ohne stressend aufzudecken.
Haben Sie auch meinen Artikel gelesen, der Übungen für das Nervensystem gibt? Vielleicht können Ihnen diese überbrückend und als vorübergehende Maßnahme dabei helfen, wenn Sie sich nach einem schlechten Traum stabilisieren möchten.
Ich wünsche Ihnen alles Gute auf Ihrem Weg und wünsche Ihnen, dass Sie heilen können! Herzlichst, Regina Herzog-Visscher